Gute Geschichten kommen nie aus der Mode
Wann haben Sie das erste Mal ein Buch ihres Vaters gelesen?
Und hat es Ihnen gefallen?
Ich war zirka 14 Jahre alt. Es war ein Arztroman, denn ich hatte in dem Alter erstaunlicherweise ein Faible für spannende Arztgeschichten. Ich träumte davon, Medizin zu studieren und selber Ärztin zu werden.
Eine vollkommen realitätsfremde Schwärmerei – die von mir zum Glück für zukünftige Patienten nicht weiter verfolgt wurde. Ich bin in keiner Disziplin ein naturwissenschaftlich begabter Mensch.
Später hatte ich das Privileg, schon während der Entstehungsphase die einzelnen Folgen von “Die Tochter des Teufels” lesen zu dürfen. Wie viele andere war auch dieser Roman zunächst als Fortsetzungsroman für eine große Illustrierte konzipiert, und ich konnte es jedes Mal kaum abwarten, bis ich den nächsten Schwung zu lesen bekam. Ich hing, genau wie später seine Leser, fest “an der Angel”. Binge reading statt binge watching. Die Geschichte der fiktiven Rasputin-Tochter hatte damals meine romantische Ader als junges Mädchen voll getroffen.
Würden Sie heute noch Konsalik lesen?
Gute Geschichten kommen nie aus der Mode. Viele seiner historischen Romane, dazu zähle ich auch die Antikriegs- und Nachkriegsromane, sind heute noch genauso packend und erzählen menschliche Schicksale im Kontext geschichtlicher Fakten. Historische Romane sind außerdem nach wie vor absolut „in“.
Und die Romane, die sich mit damals brisanten und aktuellen Themen beschäftigten, sind heute ein spannendes Stück Zeitgeschichte.
Die zahlreichen Reaktionen von Lesern der neuen Konsalik Ebook-Edition haben mich positiv überrascht. Mich freut vor allen Dingen, dass auch viele jüngere Leser offenbar von den Themen und der spannenden Erzählweise von Konsalik begeistert sind.
In meinem Archiv befinden sich unzählige Ordner mit Leserbriefen, die meine Mutter jahrzehntelang gesammelt hat. Sozusagen die historische Art des Facebook-Eintrags.
Was mochten Sie an Ihrem Vater und was konnten Sie an ihm nicht ausstehen?
Schwierige Frage … Er lebte sehr in seiner eigenen Welt, eine gewisse Egozentrik kann man ihm also nicht absprechen. Und er war die klassische autoritäre Vaterfigur der damaligen Zeit. Mit allen Vor-und Nachteilen.
Er flirtete gerne, was dem Familienfrieden allzu oft nicht gerade dienlich war. Für mich war er kein charmanter oder gar gut aussehender Mann, sondern eben „nur“ mein Papa.
An seine Großzügigkeit erinnere ich mich oft und gerne, denn die hatte mir nicht nur mein über alles geliebtes Reitpferd beschert, sondern mich auch schon in jungen Jahren phantastische und exotische Reisen machen lassen.
Gab es Momente, in denen es problematisch war, eine Konsalik-Tochter zu sein?
Als Sohn oder Tochter einer “Celebrity” (so sagt man ja heutzutage) aufzuwachsen, bzw. es ein Leben lang zu sein, birgt viele Vorteile und genauso viele Nachteile.
Zum Beispiel hatte ich eine sehr lange Zeit keinen eigenen Namen. Ich wurde vorgestellt als Tochter von Konsalik. Das hat genervt und einige Umwege zur Findung der eigenen Identität zur Folge gehabt. Manche Männer, die ich getroffen habe, interessierten sich eher für die Konsalik-Tochter (sprich: gute Partie) als für mich. Und wenn die Presse bis tief ins Privatleben versucht vorzudringen, ist das alles andere als witzig.
Aber ich hatte auch ein privilegiertes Leben. Das ist unbestritten.
Aus heutiger Sicht: War Ihr Vater seiner Zeit voraus? Denken Sie, er würde heute genauso schreiben?
Auch heute noch würde er bestimmt die brandaktuellen Themen als Romanvorlage nehmen. Ich bin sicher, dass es längst einen Roman zum Thema Terror und Extremismus von ihm geben würde.
Warum schreiben Sie nicht? Oder Ihr Sohn?
Ich würde immer an dem Werk meines Vaters gemessen werden. Erst Recht bleibt man dabei die Tochter von … Dem wollte ich mich nie aussetzen.
Mein Sohn ist beruflich in eine komplett andere Richtung gegangen. Und das ist völlig ok.
Welche Eigenschaften haben Sie von Ihrem Vater geerbt?
Die Kreativität, den Freiheitsdrang, die Reiselust, vielleicht ein bisschen von seinem Charme. Und die Schlagfertigkeit.
Als ich wieder einmal mit einer 3 minus für einen Deutschaufsatz aus der Schule kam, hob er mit gespieltem Entsetzen die Augen zum Himmel und fragte: Warum werden Kinder von Genies bloß immer Idioten? (Wir pflegten einen etwas drastischen Humor in der Familie…).
Meine Antwort kam wie aus der Pistole geschossen: Ich wusste gar nicht, dass mein Opa ein Genie war…
Das war ein glatter Blattschuss und ich glaube, es hat ihn gefreut, dass ich seine Schlagfertigkeit geerbt habe.